ArchitekTour

25 Baudenkmäler - Ein architektonischer Stadtbummel durch die Wiege Sachsens

Wir laden Sie herzlich ein zu einem architektonischen Stadtbummel durch die Wiege Sachsens.

Mittels häuserspezifischer QR Codes bieten sich faszinierende Einblicke in den Wiederaufbau Meißens als kulturhistorisches Kleinod - denn Meißen ist reich an wertvollen Zeugnissen deutscher Baukultur. Erfahren Sie dabei mehr über die Geschichte ausgewählter, kulturhistorisch besonders bedeutsamer Altstadthäuser, die durch das denkmalpflegerische Engagement von Bund & Land, aber auch privater Bauherren und Vereine in den letzten Jahren wieder zu neuem Leben erweckt werden konnten - oder noch immer darauf warten.

An der Frauenkirche 9

Autor: Helge Landmann

Giebelhaus der Zeit um 1508, mit Bohlenstube im Obergeschoss. Im 19. Jh. als Handwerkerhaus genutzt. Sanierung von 1986-1990.
Das 1982 zu einer Ruine verkommene Haus wurde durch private Bauherren bereits Ende der achtziger Jahre wiederaufgebaut. Die zuvor abgetragene historische Bohlenstube wurde dabei in leicht reduzierter Form wieder in den neuen Baukörper integriert. Den Eingangsbereich ziert ein ursprünglich farblich gefasstes, spätgotisches Sandsteintürgewände.

Weitere Informationen

Das Gebäude steht auf der Baustatt eines Vorgängers, der nach Grabungsbefunden aus dem Jahre 1986 abgebrannt ist. Erhalten blieben Krüge und Einzelscherben mit Rollbandmusterung. Diese lassen eine Datierung ins 13. Jahrhundert zu.

Die Neuerrichtung und Nutzung um 1508 ist mit dem Vikaristen bzw. Altaristen Nikolaus von Kommerstadt verbunden, der am Meißner Dom wirkte. Sein Bruder Georg gehörte zu den einflussreichsten Beratern des Hofes im frühen 16. Jahrhundert. Seine Mutter ist in der Meißner Frauenkirche beigesetzt, was darauf hindeuten könnte, dass sie mit ihrem Sohn Nikolaus das Haus an der Frauenkirche, dem damaligen Kirchhof, bewohnte. Der Geistliche Nikolaus von Kommerstadt tritt in Urkunden aus der Zeit der Reformation als Visitator und in einer anderen Funktion als erster Schösser des sequästrierten, aber noch nicht säkularisierten, ehemaligen Frauenklosters „Heilig Kreuz“ auf.

Eine Besonderheit des Hausbaus zu dieser Zeit war die Einrichtung einer rund 7m x 6m messenden Bohlenstube aus an den Ecken verkämmten Weißtannenhalbstämmen über einem massiven, mit einer Spitzbogentonne in den anliegenden Hang hinein gebauten Erdgeschoss. Ein spätgotisches Sandsteintürgewände, ursprünglich farblich gefasst, ziert den Eingangsbereich.

Zählte das Giebelhaus zunächst nur zwei Vollgeschosse, kam vor dem Dreißigjährigen Krieg, um 1621, noch ein weiteres Obergeschoss hinzu. Dabei sind große Teile der Bohlenstubendecke ausgewechselt und bemalte Brett- bzw. Felderdecken neu eingebaut worden. Auch die in Fachwerk ausgebildeten Zwischenwände trugen Farbfassungen. Hinter dem sich über eine Grundfläche von 7m x 12m zum Hang erstreckendem festen Haus existiert ein kleiner Hof, der vormals einen Laubengang besaß, der zum Abtritt führte.

Mit Auflösung des Stadtfriedhofes an der Kirche, zieht es im 19. Jahrhundert immer wieder Handwerkerfamilien in das Gebäude, zuletzt nachweisbar ein Korbmacher. Im Jahre 1982 wurde das Giebelhaus von der Städtischen Gebäudewirtschaft zur Sanierung an einen privaten Bauwerber verkauft. Dieser trug nach bauaufsichtlichen Vorgaben etwa 2/3 der Gebäudesubstanz einschließlich der historischen Bohlenstube ab. Verschiedene Umstände zwangen diesen danach zum Bauabbruch. 1986 wurde die zu einem Politikum des innerstädtischen Bauens gewordene Ruine an das Ehepaar Helge und Margitta Landmann verkauft. Diese besorgte bis 1990 den Wiederaufbau des Gebäudes. Dabei wurde auch die zwischenzeitlich ausgelagerte Bohlenstube in leicht reduzierter Form im neuen Baukörper integriert.

Das Haus ist heute zum Wohnen und für eine kleine homöopathische Praxis genutzt. Es gab einen wesentlichen Anstoß zur Ausstellung „Kehrseiten“ in der Meißner Frauenkirche. Die vom Institut für Denkmalpflege in Dresden fachlich und finanziell unterstützte Baumaßnahme kann als erste private Initiative einer komplexen Bausanierung in der Innenstadt angesehen werden. An ihr orientierten sich weitere Aktivitäten der Vorwendezeit und nach 1989.